eingereicht von Manuela Weichelt 29.9.2023 (Link zur Parlamentsseite)
Der Bundesrat wird beauftragt, Art. 41 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung, «Werbebeschränkungen für Säuglingsanfangsnahrungen», auf Folgenahrungen auszudehnen.
Das Fachmagazin Lancet (https://www.thelancet.com/series/breastfeeding-2023) beschreibt das Marketing für Säuglingsnahrung und den Einfluss auf Familien, Gesundheitspersonal, Wissenschaft und politische Prozesse. Der Bericht zeigt, wie der Verkauf von Säuglingsnahrung durch Marketingstrategien vorangetrieben wird und die Produkte als Lösungen für die allgemeinen Gesundheits- und Entwicklungsprobleme von Säuglingen dargestellt werden.
Digitale Plattformen erweitern die Reichweite und den Einfluss des Marketings beträchtlich, während sie den Internationalen Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten umgehen. Trotz erwiesener Vorteile werden weniger als die Hälfte der Säuglinge und Kleinkinder gemäss den Empfehlungen der WHO gestillt.
Die Autoren der Publikationen verlangen ein härteres Durchgreifen gegen die Marketingpraktiken von Firmen.
Mit Art. 41 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung, «Werbebeschränkungen für Säuglingsanfangsnahrungen», ist diese Forderung in der Schweiz nur teilweise erfüllt. Durch die nahezu gleiche Packungsgestaltung bewirkt Werbung für eine Folgenahrung auch unmittelbar eine Bewerbung der entsprechenden Säuglingsanfangsnahrung. Faktisch wird somit das Werbeverbot der Säuglingsanfangsnahrung umgangen.
In der Stellungnahme des Bundesrates (1.12.2017) zur Motion
17.3661
steht: «Die Umsetzung der vorgenannten Vorgaben ist aktuell in der Schweiz jedoch noch nicht optimal. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen wird daher die Hersteller für eine striktere Beachtung dieser Vorgaben sensibilisieren und die Kantone zu einem konsequenteren Vollzug auffordern. Erst wenn dieses Vorgehen die Situation nicht verbessert, würde eine Werbebeschränkung für Folgenahrung ins Auge gefasst werden.»
Ebenso hat Bundesrat Berset am 26.9.2019 im Parlament gesagt: « D'abord, Madame Feri, vous avez raison, il y a un problème aujourd'hui - "unbestritten". Il faut donc agir. La législation est claire, c'est son application qui laisse à désirer»… «Et si cela ne suffit encore pas, on devra peut-être envisager de toucher aussi à l'ordonnance.»
In den letzten 5 Jahren hat sich an der Situation sehr wenig verändert.
Das Stillen ist die natürlichste und gesündeste Ernährung für Säuglinge. Der Bund rät deshalb, ausgehend von der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie, Säuglinge während der ersten vier bis sechs Monate ausschliesslich zu stillen, soweit dies möglich und mit der persönlichen Entscheidung der Mutter zu vereinbaren ist.
Aus diesem Grund verbietet Artikel 41 Absatz 3 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV; SR 817.02) denn auch Werbung, mit der die Konsumentinnen und Kon-sumenten direkt zum Kauf von Säuglingsanfangsnahrung angeregt werden sollen.
Säuglingsanfangsnahrung muss sich gemäss Artikel 7 Absatz 6 der Verordnung des EDI über Lebensmittel für Personen mit besonderem Ernährungsbedarf (VLBE; SR 817.022.104) eindeutig von Folgenahrungen unterscheiden. Damit soll das sogenannte Cross Marketing verhindert werden. Das heisst, dass Text, Bilder und verwendete Farben für die Werbung für Folgenahrung keinen Werbeeffekt für die Säuglingsanfangsnahrung aufweisen dürfen.
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ist mit Industrie und Handel seit längerer Zeit bezüglich einer korrekten Umsetzung dieser Vorgaben im Austausch. Es bestehen jedoch nach wie vor unterschiedliche Auffassungen bezüglich der verlangten Unterscheidungskriterien.
Diese Abgrenzungsfragen könnten mit dem von der Motionärin vorgeschlagenen Werbeverbot auch für die Folgenahrung tatsächlich beendet werden. Allerdings würde das Schweizer Recht damit eine Abweichung gegenüber der Europäischen Union (EU) schaffen. Da ein Grossteil der Folgenahrung importiert wird und der Schweizer Markt im Verhältnis zur EU bescheiden ist, könnte sich das letztlich negativ auf die Verfügbarkeit der Folgenahrung für Kleinkinder in der Schweiz auswirken und die Preise der Produkte in der Schweiz erhöhen.
Daher sollte ein milderes Mittel gewählt werden, um der Industrie die Möglichkeit zu geben, die rechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Verwechselbarkeit der unterschiedlichen Produktekategorien einzuhalten.
Das BLV wird bis Mitte 2024 zuhanden der Industrie und der kantonalen Behörden konkrete Vorgaben erarbeiten, die darlegen, wann Artikel 7 Absatz 6 VLBE eingehalten ist, und wann das nicht der Fall ist. Diese Klärung muss in Abstimmung mit den Vorgaben der EU erfolgen, zumal unterschiedliche Anforderungen an die Verpackungsgestaltung ein technisches Handelshemmnis gegenüber der EU schaffen würden.
Sollte dieses Vorgehen nicht zu einer Anpassung der Werbemassnahmen führen, werden weitergehende Massnahmen zu prüfen sein.